Wie Sternenbahnen (startrails) fotografieren?

  • Moin zusammen,


    ich würde gerne mal so ein Sternenbahnen- oder auf neudeutsch Startrail- Foto machen, wo die Sternenbahnen halt so kreisrund um ein festes Objekt herum zu sehen sind.
    Problem ist nur, ich habe keine Ahnung wie ich das am besten mache! ;(


    Fängt schon bei der Auswahl der Kamera an. Nehme ich meine E-M1.1 oder die E-M5.2 dafür oder ist die Kamera egal.
    Dann welchen von diesen komischen Live-Modis muss ich einstellen oder geht das auch mit "normalen" Einstellungen?!
    Macht man so was dann aus nur einem Bild oder muss man mehrere machen und die dann irgendwie zusammenbasteln?!
    Hab halt nur eine alte Photoshop-Elements -Version und möchte nicht groß in neue Software investieren, weder mit Geld noch mit Zeit.


    Also nochmal zusammengefasst: Ich habe wenig bis keine Ahnung davon und wäre für jeden kleinen Tipp und jede Hilfe dankbar. :)

    Gruß aus Hamburg vom schokopanscher


    Meine Homepage - Möge das Licht mit Dir sein!

    • Offizieller Beitrag

    Grundsätzlich ist es egal, ob du die E-M1 oder E-M5 Mark II verwendest, da der Sensor letzterer allerdings bei Langzeitbelichtungen und höheren Empfindlichkeiten sauberer aufzeichnet würde ich die nehmen. Live Composite wäre der richtige Modus für deine Zwecke, wenn du es unbedingt in der Kamera erledigen möchtest. Ich empfehle trotz dieser Möglichkeit jedoch die klassische Methode aus zwei Gründen: die erzielbare Qualität ist höher, vor allem aber sind die externen Einflüsse leichter zu kontrollieren. Ich hatte hier vor einiger Zeit mal beschrieben, wie ein Feuerwehreinsatz eine Auftragsarbeit gestört hat - mit Live Composite wäre sie zerstört worden (da fällt mir ein, ich darf inzwischen ja die Ergebnisse veröffentlichen, das werde ich noch nachreichen). Natürlich könnte man das ganze auch in einem Bild erledigen, allerdings ist das mit den digitalen Möglichkeiten Unsinn.


    Für kreisförmige Strichspuren ist der Polarstern dein Referenzpunkt (da er ja nahezu im Zentrum der scheinbaren Himmelsbewegung steht), an dem du dein Motiv entsprechend ausrichten muss. Da er in unseren Breiten relativ hoch steht wirst du schnell feststellen, dass es gar nicht so einfach ist, ein ästhetisches Motiv dafür zu finden. Ein Weitwinkel- oder Ultraweitwinkelobjektiv ist angebracht, es geht natürlich auch mit dem Tele, nur wird da die Motivwahl nochmal schwieriger (und das Bild insgesamt vermutlich auch deutlich abstrakter). Wenn ich ein passendes Motiv gefunden habe gehe ich wie folgt vor:


    - Kamera auf Stativ (Freihand wird das alles, aber keine Strichspuraufnahme)
    - Fernauslöser anschließen (wahlweise geht es auch mit Intervall-Funktion, falls die Kamera das unterstützt, ich mache es trotzdem lieber mit dem Auslöser)
    - RAW-Modus auswählen (falls nicht eh im RAW aufgezeichnet wird, JPEG+RAW geht natürlich auch)
    - Bild entsprechend den eigenen Vorstellungen gestalten, Fokussieren würde ich auf das Hauptmotiv
    - M-Modus und eine Belichtungszeit von 60 Sekunden auswählen, ISO und Blende entsprechend die Belichtung für den Vordergrund passend einstellen (bei der Blende einen Wert wählen, der auch die Sterne scharf abbildet, im Zweifel dafür auch die ISO etwas erhöhen)
    - Fernauslöser aktivieren und arretieren
    - Warten
    - Warten
    - Warten ;)


    Wie lange die Gesamtbelichtungszeit sein soll hängt von verschiedenen Faktoren ab. Neben dem persönlichen Geschmack kommt auch noch die Helligkeit des Himmels hinzu, die darüber entscheidet wie viele Sterne überhaupt abgebildet werden (je weniger Sterne, desto länger ist sinnvollerweise die Belichtung), und natürlich die Richtung; am Himmelsnordpol ist die Bahn der Sterne in der gleichen Zeit deutlich kürzer als am Himmelsäquator. Ich versuche immer auf mindestens eine Stunde Gesamtbelichtungszeit zu kommen, Ziel sind in der Regel zwei Stunden (oder länger). Es geht natürlich auch mit einer halben Stunde oder auch nur zehn Minuten, ob es gefällt muss jeder selbst entscheiden.


    Nach dem gewünschten Zeitraum ist es übrigens nicht verkehrt den Objektivdeckel aufzusetzen und noch weitere Aufnahmen (sogenannte Dunkelbilder) zu machen. Notwendig ist das nicht, aber es steigert die Qualität, da das Rauschen reduziert wird (gilt auch für Hotpixel u.ä.).


    Die Nacharbeit am Computer ist relativ einfach:
    - ein RAW entsprechend den eigenen Vorstellungen bearbeiten
    - Bearbeitung auf alle Bilder anwenden und entwickeln


    Nun folgt der letzte Schritt, das zusammenfügen. Dafür gibt es verschiedene Wege, ein sehr einfacher ist das kleine Programm Startrails (das kostet kein Geld und fast keine Zeit)
    - die entwickelten Bilder auswählen
    - die Dunkelbilder auswählen
    - Rechnen lassen


    Fertig ist die Strichspuraufnahme (so wird es auf Deutsch in Fachkreisen üblicherweise genannt).


    Wo liegt der Vorteil gegenüber Live Composite nun genau? Zum einen kann durch die Bearbeitung der RAW-Daten der gewünschte Bildeindruck in höherer Qualität erzielt werden. Zum anderen ist eine individuelle Einflussnahme auf einzelne Aufnahmen möglich. Fliegt etwa ein Flugzeug durch das Bild, kann man dieses sehr einfach und gezielt in dem betroffenen Bild entfernen, ohne die Gesamtqualität zu reduzieren. Mit Live Composite geht es auch, allerdings destruktiver. Was in Live Composite fast nicht geht ist die Lichteinflüsse auf den Vordergrund zu kontrollieren, dafür müsste man im Zweifel eine separate Aufnahme machen (wenn man das Problem während der Aufnahme überhaupt mitbekommt). Bei der beschriebenen klassischen Methode kann man hinterher die entsprechenden Störungen einfach herausretuschieren, was sehr einfach mit einem schwarzen Pinsel geht, da das beim Zusammenrechnen ignoriert wird. Und gar nicht in Live Composite funktioniert eine nachträgliche Reduktion der Gesamtbelichtungszeit. Wenn du im Nachgang merkst, dass bei zwei Stunden der Himmel doch etwas zu hell geworden ist und eine Stunde gereicht hätten, kannst du einfach den Bilderstapel halbieren und hast dein Ergebnis.


    Probiere es einfach mal aus und finde für dich den richtigen Weg, ich bin auf die Ergebnisse gespannt.


    PS: So sieht es aus, wenn man nicht gegen den Himmelsnordpol photographieren kann. Eine einfache Nachbearbeitung war aufgrund von Flugzeugen im Bild notwendig, deutlich mehr Aufwand als bei einem Live Composite war es aber nicht.

  • Danke Sascha für deine umfassende und verständliche Ausführung zum Thema.
    Nun muss ich nur noch darauf warten, dass die drei Faktoren: Freie Zeit, klarer Himmel und aufraffen vom Sofa zusammenkommen, dann werde ich mal versuchen deine Ratschläge praktisch umzusetzen.
    Sollte dabei was brauchbares rauskommen, werde ich die Ergebnisse natürlich hier präsentieren! ;)

    Gruß aus Hamburg vom schokopanscher


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    • Offizieller Beitrag

    Achso, was ich noch vergessen habe (obwohl das inzwischen bei mir wichtiger ist als das eigentliche Bild):


    Aus den Einzelaufnahmen kann man hinterher auch ein sehr schönes Zeitraffervideo in bestechender Qualität machen. Ist das gewollt empfehle ich eine Reduktion der Belichtungszeit auf 30 oder 20 Sekunden statt der zuvor genannten 60 Sekunden. Bei einer Stunde Aufnahmezeit und einer Wiedergabegeschwindigkeit von 30 Bildern pro Sekunde hätte im letzteren Fall 2 Sekunden Film, bei den verkürzten Werten hingegen 4-6 Sekunden. Das wirkt schon deutlich besser.
    Zur Erklärung der 60 Sekunden: der Wert hat keine besondere Bedeutung, er ist nur die längste Zeit, mit der du eine einzelne Aufnahme voreingestellt belichten kannst (nur über Bulb/Time geht noch mehr) was final zur Kleinsten Zahl an Bildern führt, was die Bearbeitung vereinfacht.

  • Ich glaube zwar nicht , dass ich mich jemals zu so einer Aktion aufraffen werde,
    aber immerhin werde ich jetzt die perfekte Anleitung zu finden wissen .
    Man weiß ja nie......
    Danke fürs erklären.

    Gruß Anna



    Zitat

    Wo viel Licht, da ist auch Schatten.

  • Mit der Anleitung kann wohl nichts schiefgehen, danke super

    Graue Haare sind voll im Trend, wenn nun noch Übergewicht und Falten modern werden, wird das mein Jahr
    meine Homepage - Uschi - lieber von Rubens gemalt als vom Schicksal gezeichnet

  • Nach dem gewünschten Zeitraum ist es übrigens nicht verkehrt den Objektivdeckel aufzusetzen und noch weitere Aufnahmen (sogenannte Dunkelbilder) zu machen. Notwendig ist das nicht, aber es steigert die Qualität, da das Rauschen reduziert wird (gilt auch für Hotpixel u.ä.).

    Da hab ich dann doch noch Fragen zu. Kann ich das nicht auch später Zuhause machen, die Kamera kann dann doch nicht sehen wo sie ist und egal wo und wann, mit dem Objektivdeckel drauf kann doch eigentlich nur ein schwarzes Foto rauskommen?!
    Und eigentlich macht die Kamera doch schon alleine nach jeder Langzeitbelichtung so einen Dunkelabzug und verrechnet das mit der Aufnahme. Ist zumindest bei mir so eingestellt. Muss oder kann ich das dann deaktivieren?! Würde ja auch Zeit sparen, der Dunkelabzug dauert ja immer noch mal genau so lang wie die eigentliche Belichtung.

    Gruß aus Hamburg vom schokopanscher


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    • Offizieller Beitrag

    Der automatische Dunkelbildabzug gehört natürlich ausgeschaltet, schon allein deswegen, damit die Strichspuren keine gestrichelten Linien werden. Aber: wenn du den Serienbildmodus einschaltest, schaltet er sich eh automatisch ab, und ohne Serienbildmodus funktioniert die Serie mit arretiertem Fernauslöser nicht. Und die Dunkelbilder sollten mit den gleichen Einstellungen bei gleichen Bedingungen (Temperatur) aufgenommen werden, deswegen sinnvollerweise zeitnah. Lass die Kamera einfach weiterlaufen, während du das Stativ abbaust und deine Sachen packst, im Zweifel auch noch etwas in der Tasche. Zwar sind mehr Dunkelbilder immer besser, aber mit vier bis fünf Aufnahmen erzielst du bereits gute Ergebnisse.

  • Was macht man wenn der Akku plötzlich leer ist. Kann mir vorstellen das bei 2 Stunden meine em1 schlapp machen würde. So eine Aktion hab ich auch noch vor. Danke für die tolle Beschreibung.

    • Offizieller Beitrag

    Der Sensor selbst verbraucht gar nicht soviel Strom wie du vielleicht vermutest, die Ursache für die kürzeren Laufzeiten beispielsweise im Vergleich zur DSLR liegt an anderer Stelle (falls es dich interessiert: http://onzesi.de/technik/akkul…en_und_stromspartipps.php). Sind die meisten Verbraucher ausgeschaltet bzw. inaktiv (Display/Sucher, Bildstabilisator, Fokusantriebe, Verschluss), dann kann man mit einem Akku etliche Stunden belichten, umso mehr je länger die Belichtungszeiten sind (weniger Verschlussarbeit). Aufgrund der unterschiedlichen Sensoren ist die E-M1 in dem Punkt etwas schlechter als die anderen OM-D-Modelle (nur für die E-M1 Mark II weiß ich es noch nicht), groß ist der Unterschied aber nicht. Und in all den Jahren, in denen ich jetzt mit Micro-Four-Thirds im Astrobereich unterwegs bin, hatte ich nie Probleme mit dem Akku. Probiere es einfach aus, achte aber darauf, dass der Akku tatsächlich voll geladen ist.


    Und noch als Tipp hinterher, falls es wirklich mal eine richtig kalte Nacht ist: behalte den Akku am Körper, bis du tatsächlich mit dem Photographieren anfangen willst. Das ist nicht nur gut für die Laufzeit beim konkreten Einsatz, sondern tut dem Akku insgesamt gut. ;)


    PS: Falls die Akkuleistung wirklich mal nicht reichen sollte, würde ich eher über eine externe Stromquelle nachdenken als über einen Akkuwechsel im laufenden Betrieb. Letzteres geht auch, mit einem robustem Stativ und geübten Fingern, sorgt aber immer für minimale Bewegung die beim Zusammenrechnen Probleme macht. Bei "normalen" Astroaufnahmen weniger, weil die eh nochmal ausgerichtet werden, aber bei den Strichspuraufnahmen schon eher. Es gibt Akkudummys mit externen Anschlüssen, die du statt dem Akku in die Kamera steckst und dann mit einer externen Stromquelle verbindest.

  • Vielen Dank für den Tipp. Wenn ich solche Sternenspuren aufnehmen möchte, brauche ich nicht unbedingt ein lichtstarkes Objektiv oder? Das lässt sich auch mit dem 12-100er f 4 machen. Welche Blende würdest du empfehlen.

    • Offizieller Beitrag

    Welche Lichtstärke sinnvoll ist lässt sich nicht verallgemeinern. Bei hellen Vordergründen etwa beschränken diese in der Regel die maximale Belichtung (wobei es aus Erfahrung dann eh schwierig wird, ein ästhetisches Gesamtbild zu gestalten), gleiches gilt für Himmel mit starker Lichtverschmutzung, bei längeren Brennweiten will man auch genug Schärfentiefe haben wollen, und bei wirklich klaren, dunklen Bedingungen ist unter Umständen die Masse an Sternen ein Problem. In all den Fällen kann es durchaus Sinn ergeben, die Blende etwas zu schließen, oder es stellt keinen Nachteil dar, ein lichtschwächeres Objektiv zu verwenden. Mit dem 12-100 wird es also durchaus auch funktionieren, im Zweifel kannst du ja die ISO auch entsprechend erhöhen, das hat bei solchen Verrechnungen deutlich weniger Auswirkungen als bei Einzelaufnahmen. Allerdings muss ich ehrlicherweise auch sagen, dass ich sehr häufig aufgrund meiner Motive und der von mir gewünschten Ästhetik bei Blenden von f/1,4 bis f/2,8 und Empfindlichkeiten von ISO 400 bis 1.600 lande. Gelegentlich mache ich aber auch entsprechende Aufnahmen mit dem 9-18er, das funktioniert auch. Wie ich immer sage, man darf das nicht alles zu verbissen sehen.


    Das Bild oben von der Saarschleife ist bei f/1,8 und ISO 800 nach einer Gesamtbelichtungszeit von zweieinhalb Stunden entstanden (60 Sekunden pro Aufnahme).

  • Ok, dann brauche ich erstmal schönes Wetter und einen passenden Ort. Könnte das mal auf einer Hütte in den Bergen gut vorstellen. Vielen Dank Sascha. Werde es einfach ausprobieren.

  • Alex: Zur Ergänzung für das Dunkelbild: Falls Du es doch mit Live Composite versuchen willst, wird am Ende der Aufnahme ein Dunkelbild gemacht und zwar mit der Dauer einer Einzelbelichtung. Wenn Du also eine Stunde lang immer 30 Sekunden belichtest, dann wird am Ende ein Dunkelbildabzug von 30 Sekunden gemacht. Das genügt, denn dann ist der Sensor warm und alle Hotpixel u.ä. werden erfasst.


    Sascha: Laut diesem Artikel von Andrzej Wrotniak (juhu er schreibt wieder), ist die E-M1 II sogar etwas besser als die E-M5 II: http://www.wrotniak.net/photo/m43/em1.2-dark.html
    Bei der Tabelle fehlt bei 4S + NR bei ISO 12800 das Bild, das ist glaube ich kein Messfehler.

    :) Sabine
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