Betrachtungen zu Moiré und Auflösung

  • Mal wieder ein wenig Theorie als Hintergrundinformation.:)


    Ich versuche hier mal von der technisch-physikalischen Seite an die Sache heran zu gehen und möglichst ohne Mathematik auszukommen. Etwaige Ungenauigkeiten bitte ich zu tolerieren. Eine möglichst für alle verständliche Form ist mein Ziel bei diesem Beitrag.
    Anlaß sind die diversen Kamera- und Objektivtests allerorts und die daraus abgeleiteten Bewertungen. Als Beispiele zu diesem Text verwende ich die Testcharts in dpreview.com. Siehe dazu hier (dabei insbesondere die diagonalen Strukturen und die Tabelle am Ende der Seite):
    http://www.dpreview.com/reviews/olympuse3/page34.asp
    Am Ende der o. a. Seite von dpreview findet man eine Tabelle "Measurable results". In dieser Tabelle stolpere ich immer über den Eintrag "Moire is visible" und dabei fing ich als Techniker (der mit optischen Instrumenten seinen Lebensunterhalt verdient) früher schon mal an, kritische Überlegungen zur Auflösung anzustellen.
    Moire ist im Grunde der Effekt, der hier bei sog. Phasengittermaßstäben zum Messen genutzt wird.
    http://pdf.directindustry.de/p…ssgerate/155-4805-_8.html
    http://de.wikipedia.org/wiki/Moir%C3%A9-Effekt
    Dieser Effekt tritt immer dann auf, wenn sich Strukturen ähnlicher Abmessungen im Bereich weniger Lichtwellenlängen bewegen. Je nach Strukturbreite und Strukturbreitenunterschied der beiden Strukturen und dem Abstand der Strukturen und der Strukturbreite des Messempfängers (dem Abstand der Sensordioden des Sensors) ergeben sich verschiedene Auflösungen des Messsystems. Es können auch höhere Auflösungen vorgetäuscht werden (Aliasing, auch im Audiobereich, weswegen man höhere Abtastfrequenzen verwendet was man dann x-fach Oversampling nennt). Wir befinden uns mit den aktuellen Kameras im Strukturbereich von ~2 µm bis ~8 µm (d. h. im Bereich von wenigen Lichtwellenlängen) und damit in einem sehr sensiblen Bereich. Das kann die tollsten Effekte ergeben. Siehe das Schillern über Ölfilmen auf Wasser. Der Ölfilm ist nur wenige nm bis µm dick, das ergibt je nach Einblickwinkel verschiedene Farben, d. h. verschiedene Interferenzfrequenzen. Auf diesem Prinzip beruht auch das "Vergüten" der Linsen. Es werden mehrere Schichten mit verschiedenen Materialien von wenigen 100 Nanometer Dicke nacheinander im Vakuum aufgedampft, welche für bestimmte Farben (=Wellenlängen) die Reflexion auf der Oberfläche weitgehend verhindern.
    http://de.wikipedia.org/wiki/Antireflexbeschichtung
    Diese Mischung aus Interferenz-, Aliasing- und Moire-Effekt haben ALLE Sensor-Filter-Objektivkombinationen! Die Frage ist nur, wo schiebt man den Effekt hin. Mit etwas Pech passt die aufgenommene Struktur des Bildes genau dort rein und der Effekt wird sichtbar. Ein Lattenzaum mit bestimmter Lattenbreite und bestimmtem Lattenabstand in bestimmter Entfernung beispielsweise. Ich habe lange Zeit mit Phasengittermaßstäben gearbeitet und hätte mich doch sehr gewundert, wenn solche Effekte bei Digitalkameras NICHT auftreten würden. Je höher die Sensor-Auflösung wird und je besser die Objektive werden (wenn das Beugungsscheibchen theoretisch klein genug für die Sensorauflösung ist), um so kleiner sind die Strukturen, die Moiré erzeugen. Will man solche Effekte verhindern, verschmiert man die Strukturen, was ja nichts anderes ist als das Erzeugen von künstlicher Unschärfe. Mit Objektiven, die bei ihrer besten Blendeneinstellung einen Unschärfekreis erzeugen, der etwas größer als ein heute aktueller Pixel ist, hat man das Problem jetzt schon nicht mehr. Objektive, die auf heutigen Sensoren bei ihrer förderlichen Blende und in und nahe der Bildmitte bei passenden, regelmäßigen Strukturen kein Moiré erzeugen, taugen meiner Meinung nach noch gut als Briefbeschwerer.
    Eine Lösung des Problems wären noch viel höher auflösende Sensoren, um die unvermeidlichen Unschärfen der Objektive ausfzulösen. Schlechte Objektive werden davon nicht besser, aber gute Objektive drehen nicht mehr Däumchen. Das wäre dann 3-fach oder 4-fach Linear-Oversampling mittels 90 MP oder 160 MP Sensor im FT- oder APS-Format! Für das KB-Format würde das nochmal Faktor 4, um bei diesem Beispiel zu bleiben also ca. 360 bzw. 640 Megapixel bedeuten. Mit einem solchen Sensor könnte man einerseits nahezu die theoretisch mögliche Auflösung eines idealen Objektivs für alle Sensorformate nutzen, andererseits diesen Vorteil durch zusammenfassen mehrerer Pixel (das wäre dann der Software-AA-Filter) zur Verhinderung der Schmutzeffekte auch gleich wieder vernichten. Diese Auflösung wäre außerdem auch nur exakt in der Schärfeebene bei voller Öffnung bzw. bei nicht beugungsbegrenzt gerechneten Objektiven bei der förderlichen Blende vorhanden.


    Fortsetzung folgt ....

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    Wolfgang_R


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  • Fortsetzung


    Anders ausgedrückt: Im wesentlichen folgt die erreichbare Auflösung sehr wohl der Pixelanzahl, solange es Objektive hinreichender Qualität gibt und die Auflösung durch AA-Filterei und überflüssige AA-Rechnerei nicht wieder teilweise kaputt gematscht wird. Zu Zeiten der AA-Filter wurde die bei größeren Öffnungen geringere Beugung eben durch künstlich Unschärfe ersetzt. Bei "geringen" Auflösungen von 5 MP oder weniger war das noch verständlich, denn damit hätte es wahrscheinlich einen Aufstand wegen des häufiger sichtbaren Moirés gegeben, welches dann bei gröberen Strukturen schon vorhanden gewesen wäre.
    Das die "alten" Objektive für den Einsatz mit Film schon recht gut waren, sieht man an den moiréhaltigen Bildern, die mit diesen Objektiven mit neuen, hochauflösenden Kameras ohne AA-Filter gemacht werden (solange es der für den Sensor möglicherweise zu schräge Einfallswinkel nicht vermatscht). Selbst bei den höchstauflösenden SW-Filmen kann kein Moiré auftreten, weil sie keine regelmäßige Kornstruktur haben. Bei hochauflösenden Sensoren ist das möglicherweise auftretende Moiré zu viel feineren Strukturen verschoben. Solange mit einem Telekonverter das Ergebnis noch besser ist als herauscroppen ist die Auflösung des Sensors noch zu gering.


    Genügend kleine Strukturen können aktuell in der Halbleitertechnik hergestellt werden. Die sinnvolle Grenze wird durch die Lichtwellenlänge vorgegeben. Zur Zeit sind wir ja schon nah dran. Bleiben als weiter Kriterien die Quanteneffizienz bei solch kleinen Pixeln und die Auflösung der Objektive und dieser letzte Punkt ist im Moment der entscheidende. Bei mancher Konsumer-Optik fehlt noch eine ganze Menge, bis der Vorsprung der Strukturen in der Halbleitertechnologie eingeholt ist. Im sichtbaren Bereich ist das Einholen nicht möglich, denn es sind bereits Strukturen in Fertigung, die DUV (deep ultraviolet = kurzwelliges Ultraviolett) und Elektronenstrahllithografie voraussetzen. Im sichtbaren Bereich ist bei ca. 1µm die Luft raus, bedingt durch die Beugung. 1 µm Pixelpitch wären von der Technologie her locker drin.


    Beispiele:
    >KLICK<
    Eine kleine Demo, wie man sich mit Moiré ins Knie schiessen kann. Die Ausschnitte in dem Bild wurden mit der E-30 (12 MP + AA-Filter) und dem Makro 50/2,0 gemacht. Es sind Aufnahmen von einem Kamerakarton, dessen Aufdruck aus einem Druckraster besteht. Von Aufnahme zu Aufnahme habe ich den Karton etwas gedreht und auch die Entfernung zur Kamera leicht variiert. Dabei habe ich den Abbildungsmaßstab so gewählt, dass sich die Punkte des Druckrasters in der Bildebene ungefähr auf die Sensorpixel abbilden. Dazu muss man wissen, dass der E-30 ein "dicker" AA-Filter nachgesagt wird, der ja Moiré verhindern soll. Macht er auch, nur welches? Nun schaut mal die schönen Muster und die Veränderungen in der Farbe an, die sich je nach Position des Kartons ergeben haben. Na, wie nennt man das? In der Mitte unten das Raster in Nahaufnahme. Soviel zu Nyquist und Auflösungsmessungen bei Digitalsensoren. Ist schon eine ziemliche Sch....e, wenn man da im Bild nicht erkennen kann, ob das nun Motivdetails oder Erfindungen der Kamera sind. Die kann das auch nicht auseinander fieseln. Probiert sowas mal selbst aus.
    Für die DSLR-Phasen-AF-Fans: Das ist übrigens auch der Grund, warum ein Phasen-AF in jeder möglichen Entfernung je nach Struktur des Motivs auch mal total daneben hauen kann.


    >KLACK<
    Noch ein Beispiel aus einer E-420 (10 MP + AA-Filter), wo das Muster gerade so schön passt. Wozu muss dafür eine Kamera ein AA-Filter haben? Warum halte ich den Verzicht auf den AA-Filter für vernünftig? Ganz einfach, weil das Ding sowieso eine Nullnummer ist. Den einzigen Vorteil den er hat ist das unnötige Vermatschen von Details, die das Objektiv noch geliefert hat. Liefert das Objektiv sie nicht, braucht man den AA-Filter schon gar nicht.


    http://www.tu-ilmenau.de/filea…esstechnik/MOIRE_2010.pdf
    http://www.avt.et.tu-dresden.d…ffen59/IPS11_Wohlrabe.pdf
    http://mb-s1.upb.de/LTM/EMM/Th…0Methoden/Moire/Moire.pdf

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  • Fortsetzung


    Weiterere Aspekte sind, dass der nicht vorhandene AA-Filter auch keine Reflexionen zwischen Sensor und AA-Filter verursacht und der Strahlenversatz einer planen Glasplatte bei nicht genau senkrecht auftreffenden Strahlen entfällt.
    Als "Sensorreflexe" bezeichnete Erscheinungen, die in letzter Zeit erkannt wurden, bestanden schon immer, sind aber jetzt erst "aufgefallen". Mit alten Objektiven aus Analogzeiten, welche noch nicht für Digitalsensoren entwickelt wurden, fällt das am meisten auf.
    Die Adaption solcher Objektive an digitale KB-Kameras hat das Problem zutage gebracht. Besonders betroffen sind Weitwinkel-Rangefinder-Objektive (Leica-M etc.) mit kurzer Schnittweite. Dabei ist die Zeiss Distagon-Konstruktion wegen ihrer Retrofokuskonstruktion (fast) nicht betroffen. Biogone zeigen es deutlich.
    Ehemalige SLR-Objektive mit großer Schnittweite und Retrofokuskonstruktion sind deutlich weniger betroffen, Teleobjektive gar nicht.
    Somit kommt weglassen des AA-Filters zusätzlich der Bildqualität zugute.


    Die Problematik mit den Reflexen birgt noch Stoff für einen eigenen Thread.

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  • Die Links KLICK und KLACK funktionieren nicht.
    Die Bilder sind jetzt direkt eingestellt. #1 = KLICK, #2 = KLACK

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